Mit den Aufgaben gewachsen
Seit fünf Jahren ist die BIOPRO Baden-Württemberg GmbH für die Biotechnologie- und Life-Sciences-Branche in Baden-Württemberg aktiv. Aus der Idee der Landesregierung Baden-Württembergs, im Jahr 2003 eine Innovationsagentur für Biotechnologie und Life Sciences zu gründen, ist ein Erfolgsmodell geworden.
Starke Pharmafirmen, versierte Biotechnologie-Experten, ideenreiche Nachwuchsunternehmer – in Baden-Württemberg ist ein vielfältiger Biotechnologiestandort herangewachsen. Die Frage, ob eine Wirtschaftsregion, in der Biotechnologie mit so viel Engagement betrieben wird, eine Landesgesellschaft für Life Sciences überhaupt braucht, mag anfangs berechtigt gewesen sein. Inzwischen, fünf Jahre nach Gründung der BIOPRO Baden-Württemberg, sind derartige Bedenken hinfällig geworden. Es hat sich gezeigt, dass eine politisch gewollte und staatlich finanzierte Institution wie die BIOPRO für die hiesige Biotechnologiebranche und die regionalen Förderstrukturen trotz aller Stärke von Nutzen ist.
Als die BIOPRO Baden-Württemberg GmbH am 15. Januar 2003 ihre Arbeit aufnahm, lauteten ihre Aufgaben Öffentlichkeitsarbeit, Standortmarketing und Wirtschaftsförderung für die Biotechnologie- und Life-Sciences-Branche in Baden-Württemberg zu betreiben. Daran hat sich nichts geändert. Der Maßnahmenkatalog, mit dem sie diese Aufgabenfelder bearbeitet, ist jedoch stark gewachsen.
Vorsprung durch Kontakte: SYNPRO
Das BIOPRO-Wirtschaftsförderprogramm SYNPRO unterstützt Partnerschaften zwischen Unternehmen.
© BIOPRO/Bächtle
Im Jahr 2004 startete die BIOPRO das Wirtschaftsförderprojekt SYNPRO. Kern des SYNPRO-Konzepts ist, Partnerschaften zwischen Unternehmen anzubahnen, zu moderieren und so lange zu begleiten, bis die gemeinsamen Projekte der Partner selbstständig laufen. Diese Form der Wirtschaftsförderung unterscheidet sich maßgeblich von bisherigen Förderansätzen. SYNPRO verzichtet bewusst darauf, Geld als Fördermaßnahme einzusetzen, sondern schafft Synergien, indem es passende Partner in Kontakt bringt.
Unternehmen stehen immer wieder vor der Herausforderung, Aufgaben lösen zu müssen, die nicht zu ihrem Kerngeschäft gehören. In dieser Situation kann ein Partner, der im fraglichen Aufgabenfeld bereits aktiv ist, wertvolle Unterstützung bieten. Für ein kleines Unternehmen, das zum Beispiel ein marktfähiges Produkt entwickelt hat, ist die Markteinführung oft eine große Hürde. Ein etabliertes mittelständisches Unternehmen aus der Branche, das wiederum auf der Suche nach neuen Produkten ist, kann hier ein wichtiger Partner sein, indem es im Gegenzug Marketingerfahrung und Vertriebsstrukturen einbringt.
Folgende drei Praxisbeispiele zeigen, dass das Partneringprogramm SYNPRO genau dort ansetzt, wo kleine und mittlere Biotechnologie-Unternehmen Impulse suchen.
1. Dosing GmbH Heidelberg
Im Jahr 2006 begleitete das SYNPRO-Team die Ausgründung des Unternehmens Dosing GmbH aus dem Universitätsklinikum Heidelberg. Dosing hat das IT-basierte Arzneimittelinformationssystem AiDKlinik entwickelt, mit dem Ärzte unerwünschte Wechselwirkungen zwischen Medikamenten vor dem Verabreichen prüfen können. Das System schafft zusätzliche Sicherheit beim Verschreiben von Arzneimitteln.
Ein neuartiges biologisches Entrostungsmittel steht kurz vor der Markteinführung. (Foto: Kunz)
2. Biologische EntrostungAn der Hochschule Mannheim wurde vor etwa zehn Jahren unter Leitung von Prof. Dr. Peter Kunz ein Verfahren zur biologischen Entrostung von Metallen entwickelt. Basis des Verfahrens ist eine biobasierte Substanz, die aus Bakterien gewonnen wird. Die biologische Funktion dieser so genannten Siderophore (gr.: Eisenträger) ist, das in Eisenoxiden enthaltene Eisen zu binden. Siderophore ziehen jedoch das dreiwertige Eisen so stark an, dass sie dies auch aus Metalloxiden entfernen können – was einer Entrostung gleichkommt. Aus Sicht des Arbeitsschutzes ist dieses biobasierte Verfahren den bisher eingesetzten Methoden weit überlegen, weil es ohne aggressive Chemikalien auskommt.
Die BIOPRO hat ein interdisziplinäres Expertenteam hinzugezogen und den Dialog zwischen dem Entwickler des Verfahrens, potenziellen Produzenten des Wirkstoffs sowie Partnern aus dem Bereich Anwendung gefördert. Anschließend wurde ein Businesskonzept erarbeitet. Inzwischen (Stand Juli 2008) steht die Markteinführung des neuen, biobasierten Entrostungsmittels durch ein international operierendes mittelständisches Unternehmen aus Baden-Württemberg bevor.
SYNPRO unterstützte Novalung bei der Markteinführung des iLA Membranventilators®. (Foto: Novalung)
3. Novalung/Helios KlinikenDie Firma Novalung aus Hechingen hat ein Gerät entwickelt und klinisch geprüft, das in der Medizin eine Alternative zur Zwangsbeatmung mit Lungenmaschinen darstellt. Das Gerät von Novalung hat den Vorteil, dass es die Lunge nicht mechanisch belastet. Bei herkömmlichen Lungenmaschinen ist dies der Fall. Die Vermarktung des Geräts von Novalung war bisher problematisch.
Das Beispiel Novalung zeigt, dass innovative medizintechnische Produkte bei der Markteinführung häufig große Barrieren überwinden müssen. Das SYNPRO-Team der BIOPRO unterstützte Novalung, indem es den Kontakt zum Klinikverbund der Helios-Kliniken herstellte. Ergebnis: Der Klinikverbund wird das Novalung-Verfahren versuchsweise einführen.
Messen und Veranstaltungen
Wirtschaftsminister Ernst Pfister (Mitte) besuchte 2007 den Gemeinschaftsstand der BIOPRO auf der BIOTECHNICA. (Foto: BIOPRO/Bächtle)
Im ersten Jahr waren Messeauftritte und Veranstaltungen die wichtigsten Marketingmaßnahmen der BIOPRO. Die junge Landesgesellschaft präsentierte sich gemeinsam mit den damals vier Bioregionen auf der wichtigsten Fachmesse der Welt, der BIO in den USA. Große Resonanz fand der Gemeinschaftsstand auf der BIOTECHNICA in Hannover, den die BIOPRO im Herbst 2003 zum ersten Mal initiierte und bis heute bei jeder BIOTECHNICA erfolgreich umgesetzt hat. 20 Aussteller aus Wissenschaft und Wirtschaft stellten 2003 ihre Produkte und Leistungen am Gemeinschaftsstand vor. Noch nie zuvor war es gelungen, die Biotechnologiebranche im Südwesten einerseits so umfassend und andererseits so konzentriert auf Europas wichtigster Biotechnologiemesse vorzustellen.
Das Konzept des Gemeinschaftsstandes fand Anklang, das Interesse der Firmen, Netzwerke und Forschungseinrichtungen stieg. Bei der BIOTECHNICA 2007 nutzten 34 Mitaussteller die Gelegenheit, sich auf 360 der 620 Quadratmeter Standfläche zu präsentieren.
In den Jahren 2004 und 2006 veranstaltete die BIOPRO das „Forum Biotechnologie Baden-Württemberg“. Auf diesen regional ausgerichteten Branchenveranstaltungen tauschten sich jeweils mehr als 200 Unternehmer, Wissenschaftler und Politiker über Biotechnologie aus. Im Mittelpunkt standen Fragen über politische Rahmenbedingungen, wirtschaftliche Entwicklung und Synergiepotenziale aus der Zusammenarbeit mit anderen Branchen.
Auch anlässlich der Eröffnung der Neuen Landesmesse im Herbst 2007 in Stuttgart stellte sich die BIOPRO der Öffentlichkeit vor. An drei Ständen zeigte das BIOPRO-Team, welche Möglichkeiten in der Biotechnologie, in angrenzenden Wissenschaftsfeldern und in Spezialanwendungen wie Biopolymeren stecken.
bio-pro.de – jede Woche aktuell informiert
Seit dem 1. März 2004 liefert www.bio-pro.de jede Woche Aktuelles aus der Biotechnologiebranche in Baden-Württemberg.
Grundlage der Öffentlichkeitsarbeit ist das Internetportal www.bio-pro.de. Bereits im Frühjahr 2003 war die BIOPRO Baden-Württemberg unter dieser Adresse mit Basisinformationen zur BIOPRO und zur Biotechnologie im Internet präsent. Der HTML-basierte Internetauftritt wurde im Lauf des Jahres 2003 zu einem umfassenden Informationsportal weiterentwickelt. Am 1. März 2004 ging der komplett neu gestaltete, zweisprachige Internetauftritt online.
Die Redakteure in den fünf Bioregionen des Landes und die BIOPRO-Redaktion in Stuttgart produzieren jede Woche neue Fachbeiträge zu Biotechnologie und Life Sciences und stellen sie mittels eines modernen Content-Management-Systems ein. In einem mehrstufigen Prozess erfolgen Qualitätskontrolle, Übersetzung und Publikation der Texte. Im Lauf der vergangenen fünf Jahre veröffentlichte das Redaktionsteam mehr als 5.000 Beiträge und realisierte 60 Schwerpunktthemen wie zum Beispiel Krebs, Glykobiotechnologie, Bioenergie oder Infektionskrankheiten.
Suchen, finden und verstehen
Information nützt nichts, wenn Suchfunktionen mit der Informationsfülle nicht Schritt halten und die Recherche für den Leser zum Ärgernis wird. Die BIOPRO hat daher als erster Online-Portalbetreiber den Knowledgeminer des Softwarespezialisten USU in seine Internetseite integriert. Dieses leistungsfähige Suchwerkzeug setzt einen neuen Standard in der Internetsuche. Aus biologischen und biotechnologischen Schlüsselbegriffen, die in den Textbeiträgen auf bio-pro.de vorkommen, hat die Redaktion Begriffsnetze aufgebaut. Der Nutzer kann über die „erweiterte Suche“ zu vielen Suchbegriffen wie zum Beispiel „rote Biotechnologie“, „Krebs“ oder „Immunologie“ ein solches Begriffsnetz aufrufen. In Form einer interaktiven Themenkarte zeigt es, zu welchen verwandten Aspekten des Suchbegriffs Fachbeiträge auf bio-pro.de verfügbar sind. Komplexe Themenfelder wie „Krebs“ werden auf diesem Weg differenziert dargestellt und erlauben dem Leser, schnell auf das Thema und die Beiträge zuzugreifen, die seiner Suchanfrage am ehesten entsprechen. Des Weiteren kann der Leser das System interaktiv mitgestalten, indem er Texte, die seine Fragen am besten beantworten, als hilfreich einstuft. Diese Bewertung fließt anschließend in zukünftige Suchergebnisse ein.
Zusätzlich zur verbesserten Suchfunktion wurde ein Schlagwortsystem integriert, das Fachbegriffe in Texten markiert und mit einem Glossar verknüpft. Der Leser kann zu Fachbegriffen, die er nicht kennt, umgehend allgemein verständliche Erklärungen aufrufen.
Drucksachen
Titelseite BIOPRO-Magazin, Ausgabe 1/2008
© BIOPRO
Ende 2005 richtete die BIOPRO ein neues Informationsmedium ein: das BIOPRO-Magazin. Das BIOPRO-Magazin ist eine Printauskopplung aus dem Internetportal und wendet sich an Leser, die zwar an Biotechnologie interessiert, aber keine Experten sind. Diese populärwissenschaftliche Ergänzung zur Online-Präsenz ist kostenlos und wird an mehr als 3.000 Abonnenten verschickt. Bisher wurden zehn Ausgaben realisiert.
Die Reihe der BIOPRO-Editionen, also der fachspezifischen Sonderpublikationen, wurde auf sechs erweitert. Zu den beiden Ausgaben „Interdisziplinäre Anwendungsfelder“ (2004) und „Biotech & Schule“ (2005), kamen 2006 der englische Tagungsband „MEA-Meeting 2006“ sowie das Werkbuch „Biotechnologie und Gesundheit“ hinzu. Im Jahr 2007 wurde die Edition 5 „Regenerative Medizin in Tübingen – neue Therapien im Blickfeld“ publiziert, 2008 folgte der Band „MEA-Meeting 2008“.
Den alle zwei Jahre aktualisierten Biotech-Guide gibt es inzwischen in der dritten Ausgabe. Die umfangreiche Sammlung von Firmenprofilen ist besonders auf Messen und Kongressen sehr gefragt, da sie ein aktuelles Bild der biotechspezifischen Unternehmenslandschaft in Baden-Württemberg zeichnet.
Biotechnologie vor Ort
Die Ausstellung "Biotech-Forschung in Baden-Württemberg" zeigt die vielen Anwendungsmöglichkeiten der Biotechnologie. (Foto: BIOPRO/Bächtle)
Im Jahr 2004 entwickelte die BIOPRO die Ausstellung „Biotechnologie im Dienste der Gesundheit des Menschen“. Ursprünglich zeigte die Ausstellung an zehn Beispielen, wie biotechnologische Forschung mit neuen Therapien und Diagnoseverfahren den medizinischen Fortschritt vorantreibt. Im Jahr 2008 wurde die Ausstellung überarbeitet und ergänzt. Unter dem Titel „Biotech-Forschung in Baden-Württemberg“ setzt sie ihr Hauptaugenmerk nicht mehr ausschließlich auf das Thema Gesundheit, sondern zeigt die vielen Anwendungsmöglichkeiten der Biotechnologie. Der Themenbogen reicht von neuen Therapien gegen Krebs über künftige Wege zur Energiegewinnung bis hin zu einem innovativen thermoplastischen Werkstoff, der auf Holz basiert.
Erfolgreich im Wettbewerb
Das Clusterkonzept "Biopolymere/Biowerkstoffe" erreichte im Wettbewerb BioIndustrie 2021 die Förderphase. (Foto: BIOPRO/Bächtle)
In den Jahren 2007 und 2008 nahm die BIOPRO Baden-Württemberg an drei Wettbewerben teil: BioIndustrie 2021, Spitzenclusterwettbewerb (beide wurden vom BMBF ausgerichtet) und Land der Ideen. Bei allen Wettbewerbsteilnahmen hatte die BIOPRO Erfolg.
Mit dem Clusterkonzept „Biopolymere/Biowerkstoffe“ erreichte die BIOPRO gemeinsam mit ihren Partnern die Förderphase. Der Cluster integriert 57 große und mittelständische Unternehmen sowie 34 Forschungseinrichtungen und drei Finanzpartner. Er zeichnet sich dadurch aus, dass er die Wertschöpfungskette für Biokunststoffe von der Grundstoffherstellung über Fertigungsprozesse bis zum Produkt vollständig abdeckt. Die Ziele des Clusters sind, anhand biotechnologischer Verfahren eine Alternative zu erdölbasierten Kunststoffen zu schaffen und Kunststoffe mit neuen Eigenschaften zu entwickeln. Über einen Zeitraum von fünf Jahren werden vom BMBF Projekte mit insgesamt 10 Millionen Euro gefördert. Die ersten Projekte sind bereits in der Förderphase.
Die Bewilligung von Fördermitteln steht beim Spitzenclusterwettbewerb noch aus. Als ersten Erfolg erreichten die BIOPRO und ihre Partner mit dem Konzept „Medizintechnik und Gesundheit Tuttlingen/Neckar-Alb – MedCare TechArea“ die zweite Runde. Zwölf Wettbewerbsbeiträge hat das BMBF ausgewählt und die Bewerber aufgefordert, bis Juni 2008 detaillierte Clusterstrategien sowie jeweils drei Leitprojekte auszuarbeiten. Ende September fällt die Entscheidung, ob die BIOPRO und der Cluster „Medizintechnik und Gesundheit Tuttlingen/Neckar-Alb – MedCare TechArea“ die Förderphase erreichen. Bis zu 40 Millionen Euro Fördermittel des Bundes könnten dann akquiriert werden. Hinzu kommen rund 66 Millionen Euro an Eigenmitteln aus dem Cluster. Beteiligt sind 70 Unternehmen, 15 Technologieverbünde und -verbände, Netzwerke und Kompetenzzentren, 45 Partner aus Universitäten, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Inkubatoren, elf Gesundheitsnetzwerke, Krankenkassen und klinische Anwender, 22 regionale Partner und Strukturen sowie neun Finanzierungspartner.
Bereits durchgesetzt hat sich die BIOPRO im bundesweiten Wettbewerb „Land der Ideen“. Mit ihrem Beitrag „Wissensparcours Biotechnologie“, der anlässlich des Aktionstages „Biotechnologie zum Anfassen“ am 26. Juni 2008 realisiert wurde, überzeugte sie die Jury und wurde „Ausgewählter Ort 2008 im Land der Ideen“.
Neue Trends
Im Lauf der fünf Jahre haben sich zwei Trends herausgebildet, die auch in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen werden. Zum einen wird sich die Biotechnologie weiter diversifizieren, indem sie, zumindest teilweise, mehr mit etablierten Industriefeldern interagiert. Beispiele wie Bioenergie und Biokunststoffe belegen dies. In diesen interdisziplinären Anwendungsfeldern liegt ein großes Entwicklungspotenzial für die Biotechnologie.
Zum anderen werden Aufgaben wie Cluster-Entwicklung, Cluster-Organisation und Cluster-Management mehr Raum in der Arbeit der BIOPRO einnehmen. Schließlich gilt es, vorhandene Kräfte optimal zu nutzen – und die sind bekanntlich dann besonders stark, wenn sie in die gleiche Richtung wirken.
chb – 09.07.08
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH